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Sonntag, 9. Oktober 2011

Aliens (Kein Post über Kosmos)

Anmerkung im Vorfeld: Ich bin kein Sexist, ich hasse Männer nicht und halte sie nicht für das schlechtere Geschlecht. Kein Geschlecht ist dem anderen überlegen, und beide Geschlechter können mit Sicherheit eine nicht ganz ernst gemeinte und etwas persiflierte Kritik einiger ihrer Vertreter ganz gut verkraften. ^^


Ich bin nicht die jüngste Person. Zwar bin ich auch noch nicht alt, aber durchaus in einem Alter, in dem Menschen nach echten zwischenmenschlichen Beziehungen suchen, zumindest manche von ihnen. Meine Freunde zum Beispiel scheinen ganz glücklich zu sein mit ihren Pärchenabenden und ihren gemeinsam verbrachten Wochenenden. Und ich freue mich für sie. Doch wirklich. Aus mir spricht kein Neid, ich möchte keine Pärchenwochenenden, keine Spaziergänge und neidisch bin ich auch nicht, auf die, die das haben. Viel eher spüre ich seit einiger Zeit eine gewisse absurde Faszination davon, wie wenig mir das andere Geschlecht tatsächlich gefällt. Und, nein, eine solche Aussage impliziert nicht den Wunsch, gleich das Ufer zu wechseln. Wobei das im Moment auch keinen Unterschied machen würde, denn ich fühle mich allen Menschen - Frauen wie Männern gleichermaßen - seltsam entfremdet, wie ein Alien in einem Menschenkostüm. Und durch die Augenschlitze meiner Menschen-Gummimaske sehe ich sie, die Frauen und Männer und besonders die Letzteren schaffen es immer wieder auf vielfältige Weise, mich zu enttäuschen. Schubladendenken ist eine Sünde, aber: Egal, ich versuche trotzdem mal die vielfältigen Exemplare aus den vielen enttäuschenden Männerbegegnungen zu kategorisieren, Es handelt sich ja eher um kategorisierte Persönlichkeitsmerkmale, nicht um kategorisierte konkrete Menschen:


Typ 1: Das innere aber eigentlich auch äußere Kind

Ich dachte ja, dass sich die Lücke in der Entwicklung von Mädchen und Jungen irgendwann kurz nach dem zwanzigsten - spätestens einunszwanzigsten - Geburtstag schließen wird. Ich lag falsch. Dieser Typ interessiert sich um ein vielfaches mehr für selbstgebastelte Böller, seinen WoW Account, Mangas/Comics und vielleicht auch für das Bemalen von Warhammer-Figuren als für menschlichen Kontakt. Mir scheint, dass diese Form von Eskapismus als Fluchtmechanismus aus Angst vor Frauen recht verbreitet beim männlichen Geschlecht ist. Wenn sich schon eine ganze Sitcom, namens "The Big Bang Theory", damit auseinander setzt, muss es eine beliebte Methode zur Flucht vor der eigenen Feigheit sein. Metafeigheit sozusagen.


Typ 2: Der Langweiler

Das wichtigste Merkmal hier ist: Man hat permanent das Gefühl, dass alles, was er sagt, nicht gesagt werden muss, weil es so offensichtlich ist, oder bereits bekannt, oder überflüssig. Er ist nett, keine Frage, so nett wie ein Schluck warmen Wassers oder ein hellblaues Hemd. Man bekommt ihn genau so, wie man ihn einschätzt, nicht mehr, und - wenn man nicht zu viel erwartet - auch nicht weniger. Er ist keine Herausforderung, man wächst nicht an ihm, oder lernt von ihm etwas Neues. Gut für die Frau, die das nicht will. Er ist der Durchschnittstyp in einer beliebigen Disko.


Typ 3: Der Widerling

Dieser Typ stalkt einen wochen- oder monatelang über soziale Netzwerke oder Communities, und man weiß schon im Voraus, dass man ihn im richtigen - ich meine so richtig analogem - Leben nie ansprechen würde, und auch nicht mit ihm reden würde, wenn er einen anspricht. Er sucht nach Sex, und dabei tarnt er sich mit seinen "Lust auf einen Kaffee?" und "Naja, ich suche auch nach Freundschaft" nicht einmal besonders geschickt (oder er definiert den Begriff "Freunde" irgendwie ganz verquer), jedenfalls sucht er nicht nach echtem menschlichen Kontakt, mehr nach einer Unterleibszweckgemeinschaft. Leider sucht er so eifrig, dass er dabei verzweifelt wirkt, was natürlich nicht besonders mysteriös, cool und sexy rüberkommt. Ein Teufelskreis...


Typ 4: Der Unflexible

Er bietet schon mehr als seine Kollegen, unter anderem sogar interessante Gespräche und Nährboden für gegenseitiges Verständnis. Und mag er auch noch so hip und jung sein und vielleicht sogar selbstgedrehte Zigaretten aus aromafreien Tabak rauchen und Chucks tragen, irgendetwas in seinen Ansichten unterscheidet  ihn trotzdem nicht wirklich von seinem Herrn Vater aus der neobürgerlichen Kleinstadt aus der er in die große weite Welt entkommen ist. Entkommen ist er vor allem körperlich, geistig steckt zumindest ein Teil von ihm noch in der Provinz fest, und dieser Teil ist es auch, der sich über Vegetarier und Feminismus lustig macht, über Aktionismus und generell das bisschen "Hippiescheiße" in einem und vielleicht irgendwann ja doch einen SUV haben wollen und CDU wählen wird.


Typ 5: Der gute Sohn

Er ist eigentlich total okay. Er ist sogar ziemlich cool. Er ist toll. Er ist so toll, dass er einen Haken haben muss. Der Haken ist: Er ist ein erwachsener Mann, der jedes oder fast jedes Wochenende seine Mutter besuchen fährt bzw. seine Eltern. Ja, Junge, du hast Glück, dass deine Eltern für dich wie deine Freunde sind, aber welche Frau will schon ständig mit der Mutter des Freundes rumhängen? Du bist erwachsen, du bist finanziell schon (fast) selbstständig, wäre schön, wenn du auch irgendwann psychisch selbstständig wirst.


Typ 6: Der sterbende Schwan

Ah, mein Lieblingstyp! Er könnte eigentlich alles haben. Sein Leben ist geregelt, seine Berufschancen erfolgversprechend, er ist schlau, nicht unattraktiv, hat vielfältige Interessen und auch Freunde. Er ist eigentlich kein Freak, aber er verbaut sich sein Privatleben mit großer Leidenschaft selbst. Man denkt sich immer: "Was zur Hölle ist eigentlich dein Problem?", und er weiß es nicht. Er kann nicht glücklich sein und, selbst wenn die Sonne scheint und eine Frau ihn anlächelt, macht er für sein Leben gern ein sorgenvolles und bedrücktes Gesicht. Selbst im Kreis seiner Freunde ist er einsam, selbst in den Armen einer Geliebten verliert er nie die Kontrolle und selbst sich gegenüber kann er nicht eingestehen, dass der Ursprung seiner persönlichen Probleme so gut wie immer in seinem Kopf liegt und er schon längst glücklich und verheiratet sein könnte, wenn er wollen würde.
Ich mag ihn. Natürlich beißt man sich an ihm die Zähne aus, und natürlich kann man lange drauf warten, dass er einsieht, dass er an sich arbeiten muss, aber zumindest ist er komplex. Komplexe Menschen sind immer besser.


Das ist mein Dossier aus den verschiedensten Begegnungen mit dem anderen Geschlecht während der letzten Wochen/Monate. Natürlich bin ich viel zu streng und könnte wahrscheinlich auch längst verheiratet sein und so weiter... und natürlich ist es auch unfair, alle möglichen Männer so zu kategorisieren, vor allem auch solche, die überhaupt nichts von mir wollen. Aber, nein, ich scanne nicht gleich jedes Exemplar des anderen Geschlechts nach Beziehungstauglichkeit ab, das wäre irgendwie jämmerlich. Was ich tue ist: Ich vergleiche die Realität mit der Wunschvorstellung. Und die Realität lässt sich bisher am besten mit dem Wort "FAIL" beschreiben. Nein, im Moment möchte ich definitiv mit niemandem davon einen Spaziergang teilen. Ich frage mich sowieso langsam, ob die Auswahl nicht gar nur aus verschiedenen Kombinationen der oben genannten Typen besteht. Das würde bedeuten, dass ich für immer als Alien leben muss, unter Menschen, die mir wiederum wie Aliens vorkommen.

Montag, 29. August 2011

Hasen und Hamster

Eines Tages schmeißt du den Job hin. Und zwar praktisch. Theoretisch hast du ihn ja schon vor Monaten hingeschmissen, und zwar an dem Punkt, wo du nicht nur keine Arbeitsmoral übrig hattest, sondern, wo es dir dann auch egal war, dass deine Vorgesetzten es gemerkt haben.

Hättest du nur wahrgenommen, was du dir selbst die ganze Zeit zu sagen versucht hast: Das Phantomklingeln nachts, dass dir bei Radiosendungen die Telefonstimmen der Anrufer plötzlich unangenehm waren, wie deine Stimme immer monotoner wurde und dein Gesicht an deiner Arbeitsnische immer länger, und – das Schlimmste von allem – wie du gedacht hast, dass alle Menschen in Deutschland so wären, wie die, mit denen du telefonierst. Hättest du das wahrgenommen, dann hättest du dich und deine sich nicht regenerierenden Nervenzellen schnell aus dem Callcenter befördert. Du hättest die Tatsachen um dich herum beobachten sollen. Deine Kollegen waren keine schlechten Menschen, aber noch bevor du auch so geworden bist wie sie, hättest du merken müssen, dass sie wie Roboter reden, wenn sie telefonieren. Wenn der Fernseher während der Arbeit lief, hättest du gesehen, dass sie sich über betrogene Frauentausch- und Mitten-im-Leben-Gestalten dort lediglich lustig machen und nicht mal ein Tröpfchen Empathie empfinden; dieses fehlende Tröpfchen hätte dich skeptisch machen müssen. Und als du gesehen hattest, wie ernst sie ihre Aufgabe – das telefonische Verkaufen von Produkten aus Dauerwerbesendungen, zu überteuerten Preisen und Portokosten – nehmen, hättest du nicht nur die Alarmglocken, du hättest Hurricane-Warnsirenen hören müssen. Und spätestens als die sensible Theaterwissenschaft-Studentin und die alternative Poetry-Slam-liebende Veganerin den Laden nach kürzester Zeit verließen, spätestens dann hättest du auf deine Intuition hören müssen, die dir sagte, dass du etwas moralisch fragwürdiges machst.

Aber du hast gekämpft. Gegen Windmühlen. Die Kunden haben nicht plötzlich die Tugend der Höflichkeit erlernt, die Produkte wurden nicht besser oder zumindest ihr Preis angemessener, die Werbung nicht weniger penetrant und die Kollegen haben auch nicht damit begonnen, ihr Handeln zu reflektieren. Nur du hast dich ein Jahr lang beleidigen und unterbrechen lassen, warst der Sündenbock der Kunden und der Vorgesetzten, musstest den berechtigten sowie den belanglosen Unmut beider Parteien ausbügeln, hast deine eigene Verzweiflung ignoriert. Du hast Vorurteile gegenüber Menschen mit Dialekten entwickelt, dann Vorurteile gegenüber Menschen bestimmten Alters, bestimmter Herkunft, bestimmter Region und dann gegenüber allen anderen Menschen. Und du hast dich nicht getraut zu glauben, dass du – ja auch du - dir zu schade für einen Job sein kannst, wie die angehende Theaterwisenschaftlerin und die Veganerin. Bist du nun arrogant, weil du dich für besser als deine ehemaligen Kollegen hältst? Und bist du nicht eigentlich irgendwo verachtenswert, weil du das inkonsequenterweise erst nach einem Jahr eingesehen hast?

Du hast versucht tapfer zu sein, aber du bist es nicht, du bist ein Angsthase. Du hattest Angst vor einer leeren Geldbörse und auch vor pöbelnden Kunden. Doch am meisten Angst – und das spricht eigentlich für dich – hattest du vor dem, was dieser Job aus dir machen wollte: einen verbitterten Misanthropen. Du bist sensibel. Du hasst es, dich ungerecht behandelt zu fühlen. Du hasst es, ein Fußabtreter zu sein. Du hasst es, den Menschen auf ihre Rüpelhaftigkeit nicht mit Süffisanz begegnen zu können. Damit bist du ganz und gar ungeeignet für ein Callcenter. Und Schande über dich, dass du es erst jetzt merkst.

Ein bisschen neidisch bist du schon auf die anderen, die dort weiterhin ihr Geld verdienen können. Vielleicht brauchen sie es nur dringender als du. Du wünschst dir auch, du könntest, wie ein Hamster im Laufrad, weiterhin in diesem Job bleiben, aber du bist nicht tapfer genug, um neben ihnen um die Wette auf der Stelle zu treten, und zu sehen, wie die Wand daneben sich niemals ändert und wie die selbe Speiche mit dem roten Fleck immer wieder an dir vorbeikreist. Vielleicht haben sie dich zum Schluss auch dafür verachtet, dass deine Stimme deine Stimmung verraten hat und deine Stimmung einfach niedergeschlagen war. Aber dir ist das egal, du willst nicht einmal sauer auf sie sein. Du lehnst dich zurück und wartest auf den Augenblick, wenn du sie verachtest, weil ihnen ihr Job anscheinend ernsthaft gefällt und auf den Augenblick, wenn du sie bemitleidest, weil sie anscheinend vergessen haben, dass es Jobs außerhalb des Callcenters gibt, Jobs, die keine Laufräder sind.

Eines Tages schmeißt du den Job hin; und dann wirst du, als der sensible Mensch der du bist, Existenzängste haben, du wirst dich wieder auf die Suche machen, du wirst dich wieder irgendwo als nervöser Neuling einarbeiten müssen, du wirst unsicher sein und nicht tapfer genug, da zu bleiben wo du warst wo du hinter dem Gedanken stehen musst, Menschen abzuzocken. Du wirst dich trauen, ein Angsthase zu sein.

Dienstag, 23. August 2011

Verachtenswert, oder etwa nicht?

Verachtenswert, oder etwa nicht? Eigentlich mag sie niemand. Niemand mag schwache Menschen. Schwache Menschen sind so arm dran, dass wir nicht eimal eine ordentliche Portion leidenschaftsbeladenen Hass und nur ganz selten ein bisschen Wut abbekommen, sondern höchstes die schlimmste Form von Verachtung - wir sind von ihnen gelangweilt.

Wir sind gelangweilt von ihrer ewigen emotionalen Instabilität, davon, dass sie ihr Liebesleben nie in den Griff kriegen und zum dritten Mal mit dem Kumpel rumknutschen, der heimlich in sie verliebt ist, und uns dann zum fünften Mal bei einem Glas Rooibostee davon erzählen.

Wir sind gelangweilt davon, dass sie alles tun, um den Frieden zu wahren, auch wenn es bedeutet, sich von einem Ed Hardy-Träger bei irgendeiner beschissenen Hausparty öffentlich beleidigen zu lassen und seinen ohnehin schon amöbenartig-weichen Standpunkt fallen zu lassen, nur weil der Klügere ja nachgibt.

Wir sind gelangweilt von ihren traurigen Smileys und "ich bin so krank"- Meldungen in unserem Facebook-Feed.

Wir sind gelangweilt, weil sie sich selbst so wichtig nehmen, dass sie uns ein halbes Jahr lang immer noch nach dem dritten Glas Whiskey was wegen ihrer acht Monate zurückliegenden Trennung vorheulen.

Wir sind gelangweilt von ihren hoffnungslosen Seufzern, wenn sie uns von ihren verhassten Jobs erzählen.

Wir sind gelangweilt von ihrem Selbsthass, ihren Selbstzweifeln, ihren Selbstverletzungen und überhaupt von ihnen selbst selbst selbst.

Wir möchten sie bei den weichlichen, blassen Schultern packen und sie schütteln, bis ihnen alle Tränen aus den Äuglein ausgetropft sind. Wir möchten sagen: "Hör auf zu jammern, wenn du ein Problem mit deinem Leben hast, dann denk darüber nach, wie du es lösen willst. Lern neue Männer kennen; steh zu dir selbst; nimm ne Aspirin und geh ins Bett; sprich mit dem Chef und wenn die quälenden Selbstzweifel kommen, dann gib deinem Kopf mal Futter, denn meistens kommen solche Gedanken, wenn man sonst nichts zu denken hat.
Das alles möchten wir sagen. Aber eigentlich können wir es auch lassen. Wir ändern sowieso nichts an den anderen Menschen. Das wissen wir, aber wir sagen es ihnen trotzdem. Denn der einzige Moment, in dem sie uns nicht langweilen, ist der Moment in dem sie uns das Gefühl unserer eigenen Wichtigkeit bestätigen, darin dass unser Rat irgendwo gebraucht wird.

So sind wir: Immer auf der Suche nach einer Möglichkeit, uns selbst zu bauchpinseln und unseren Egoismus zu befriedigen. Das ist ganz schön vorhersehbar, und darin auch wieder langweilig, und das wissen wir. Und vielleicht ist das auch der Grund, warum wir mit ihnen befreundet bleiben, mit ihnen Rooibostee und Whiskey trinken, ihre Facebook-Beiträge kommentieren und mit ihnen zusammen böse aus der Ecke den Ed Hardy-Typen angucken. Am Ende sind wir damit zufrieden, dass wir von ihnen gelangweilt sein können.

P.S. Ich bin kein Misanthrop, nur nicht so blendend gelaunt, heute.

Sonntag, 3. Juli 2011

Platon, Shakespeare und Futurama.

Natürlich wäre es größenwahnsinnig, zu denken, in einem Blogeintrag könnte man ein kompliziertes Phänomen wie Liebe erklären. Ein bisschen was habe ich aber dennoch dazu zu sagen.
Vor allem weil mich in meinem Leben immer wieder Menschen mit Behauptungen ärgern, über so menschlichen Emotionen wie Eifersucht und Trennungsschmerz zu stehen.

Zunächst einmal ein paar Definitionen. Es gibt viele verschiedene Auffassungen, aber die anschaulichste ist wohl die der altgriechischen Philosophen, die Platon in seinem Liebesbegriff später weiterentwickelt hat. Demnach gibt es drei Arten von Liebe:

Eros - die romantische, an den Sexualtrieb gekoppelte Liebe
Philia - die gegenseitige freundschaftliche Liebe und gegenseitiges Verständnis und Anerkennung.
Agape - die bedingungslose und fördernde Nächstenliebe

Unsere Zweierbeziehungen basieren normalerweise auf einer Mischung aus Eros und Philia. Wir sind idealerweise sehr gut befreundet mit unserem Partner und haben ein sexuelles Verlangen nach ihm und einen gewissen Anspruch auf Exklusivität, damit unser Partner ja mit uns und nicht mit jemand anderem die von unserem Eros geforderte sexuelle Bindung eingeht und bereit ist, das shakespearesche "Beast with Two Backs" zu formen.

Der Ausdruck "Beast with Two Backs" stammt übrigens aus der Tragödie Othello. Der heißblütige Othello, durch die Intrige des überaus schlauen und missgünstigen Jago getäuscht, bringt seine Frau Desdemona aus unbegründeter Eifersucht um, nur um unmittelbar danach herauszufinden, dass sie ihn ja gar nicht betrogen hatte. (In dem Stück geht es außerdem noch um Rassismus, und die Tücken des Alkoholkonsums, aber das ist jetzt unwichtig).

Menschliche Gefühle sind Reaktionen auf die Geschehnisse der Umwelt. Eros ist daher ein Gefühl bzw. Gefühlskomplex, zu dem so hässliche Emotionen wie Eifersucht, Selbstzweifel, Traurigkeit, Sehnsucht und Groll auf unseren Partner gehören. Auch Philia ist an Bedingungen geknüpft, denn wir sind nur bereit zu freundschaftlichen Gesten und Gefühlen, wenn wir diese von unseren Freunden erhalten. Und wenn nicht, sind wir traurig und enttäuscht.

Agape dagegen ist unbedingte Nächstenliebe. Soweit ich das richtig verstehe ist das auch die Liebe zu kleinen Katzen und das, was manche Menschen dazu veranlasst, Omis in der Bahn den Platz zu überlassen oder einem Obdachlosen ein Brötchen zu kaufen. Man kann natürlich auch sagen, dass wir alles aus egoistischen Motiven tun – in diesem Fall um uns selbst als Mensch besser zu fühlen – aber dennoch: In diesem Moment wollen wir von diesem Menschen keine Gegenleistung. Wir sind gütig. Und das ist am ehesten ein Zustand als ein Gefühl. Agape kommt aus dem Innersten einer Person und wie stark sie ist, hängt davon ab, wie emotional stabil, ausgeglichen und zufrieden mit sich selbst die Person ist. Zwar kann dieser Zustand je nach Tagesform eines Menschen variieren, liegt aber doch zum größten Teil in seinem Inneren.

Schön, dass die Platon und die Philosophen der Antike das unterschieden haben. Die meisten Menschen definieren die Liebe eher als eine amorphe Mischung dieser drei Aspekte, und der Schwerpunkt ist je nach Mensch unterschiedlich gesetzt. Auch die Serie Futurama beschäftigt sich übrigens mit Liebe. Futurama ist witzig und geistreich (und wer das anders sieht, schubst auch kleine Enten in den Teich). Leider wurde Futurama für eine gewisse Zeit abgesetzt und ist nur noch in Form von Filmen direkt auf DVD erschienen. In einem dieser Filme – und hier ist der Plot ein bisschen schräger als der von Othello – geht es um das Wesen Yivo aus einem Paralleluniversum, das alle Menschen auf der Welt liebt und eine Beziehung mit jedem von ihnen eingeht, in der niemand Eifersucht empfinden muss. Nur so als Anmerkung: Klingt Yivo nicht ein bisschen wie Yahweh, der alttestamentarische Gott, der, wie manche behaupten, auch alle Menschen liebt? Die absichtliche nicht-Differenzierung des Films zwischen Eros und Agape spiegelt sich schon in der Absurdität des Namen wider: "The Beast with a Billion Backs". Und genau so absurd ist eigentlich auch die Behauptung mancher, dass Liebe zu einem anderen Menschen nicht weh tun würde, wenn sie nur mehr so wäre wie die ideale und bedingungslose Nächstenliebe, wenn sie mehr Zustand als Gefühl wäre, wenn wir uns nur über die Bekanntschaft mit unserem Partner freuen würden, ohne von ihm zu verlangen, treu zu sein und unsere Gefühle zu erwidern. Dann wäre doch alles gut. Wenn Othello diese Herangehensweise doch nur gekannt hätte...dann hätte es am Ende kein Drama gegeben (aber auch kein Werk der Weltliteratur).

Futurama, wie gesagt, führt diesen Gedanken ad absurdum. Und das ist auch richtig so. Denn es wäre zwar schön, wenn es möglich wäre ohne die hässlichen Rosenkriege leben zu können. Und es wäre schön, wenn jeder Mensch zu dieser Erkenntnis kommen würde. Aber genau so wenig möglich. Denn Eros und Philia werden immer etwas fordern (Aufmerksamkeit, emotionale und sexuelle Treue, Verbindlichkeit) und, wenn sie es nicht bekommen, Leiden verursachen. Und das sind doch letztendlich die Arten von Liebe, die in Beziehungen zählen. Eros ist nicht Agape. Und Agape ist keine beziehungstaugliche Liebe, es sei denn jemand möchte mit der Oma aus der Straßenbahn tatsächlich zusammen sein.

Ja, es gibt noch so etwas wie offene Beziehungen, Swinger, Polygamie und Polyamory. Hier lange darüber zu schreiben, würde den Rahmen sprengen. Daher fasse ich mich möglichst kurz: Ja, man kann sexuelle Beziehungen neben dem eigentlichen Partner haben, ohne dass dieser eifersüchtig wird. Der Partner wird aber nicht eifersüchtig, weil er auf einer anderen Ebene (zum Beispiel der Gefühlsebene) Exklusivität genießt. Man liebt einen einzigen Menschen dann doch mehr als alle anderen.

Der Film endet übrigens auch mit einem gebrochenen Herzen, was uns subtil darauf hinweisen soll, dass fehlerhafte Menschen die Idee der freien, perfekten und bedingungslosen Liebe nicht umsetzen können, nicht einmal, wenn der Partner ein perfektes all-liebendes Wesen ist. Wir werden immer eifersüchtig sein. Wir werden auf der emotionalen und meistens auch der sexuellen Ebene immer wollen, dass unser Biest nur zwei Rücken hat. Ich glaube, das ist ganz natürlich. Wie albern würde denn auch ein Biest mit einer Milliarde Rücken aussehen?


P.S.: Lest mehr Shakespeare! Und guckt vor allem mehr Futurama!