Na, wie lange hat es gedauert, bis ich mein Vorhaben gebrochen habe, mich
hier nur in sublimierter Form mit eigener Kunst (Kunst?) als Mensch
darzustellen? Es waren nicht einmal zwei Monate.
Aber da wir nun einmal in einem Zeitalter leben, wo virtuelle Ehrlichkeit
viel ehrlicher ist, als die unter Zeitdruck auf Partys entstandene und mit
Füll-Lauten durchsetzte reale Kommunikation, soll es eben so sein. Ich
sublimiere jetzt sogar die eigenen Gedanken und Empfindungen. Und stelle sie
hier strukturierter und kunstvoller als in der Realität dar. Für etwas noch
ausgefeilteres – wie eine Kurzgeschichte – fehlt mir gerade die Kreativität.
Sie wird ironischerweise von einem eigentlich geisteswissenschaftlichen Studium
aufgefressen.
Das Studium an sich ist aber eigentlich nicht geisteswissenschaftlich. Oder
etwa doch? Ich bin äußerlich jedenfalls kein typischer Geisteswissenschaftler.
Ich bin nicht eine von diesen wunderbaren Gestalten, die Dreadlocks haben,
antike Diamant-Räder fahren und Second-Hand Klamotten tragen, mit denen die
Frauen aussehen wie Feen aus der Mottenkiste und die Männer, wie eine
Renaissance der 68-er Bewegung. Ich wäre es aber gern. Ich würde auch gern 14
Semester lang studieren und intellektuell von Kultur und Kabarett und Kafka
daherschwafeln. Ich hätte gern ein Wohlfühlstudium im Elfenbeinturm, zusammen mit
Schiller und Goethe und Shakespeare. Noch lieber natürlich, mit meinen
Landsleuten Puschkin, Tolstoi und Dostojewski.
Stattdessen verbringe ich meine Zeit mit unglamourösen Texten über Analgin,
Diodenprüfer, Quantencomputer, Mähdrescher und Umweltzonen. Geschrieben von
Oompa Loompas, übersetzt von Oompa Loompas. Wie mir.
Wer sitzt eigentlich am höchsten im Elfenbeinturm? Die Slawisten? Die
Philosophen? Oder Kulturwissenschaftler? Die Germanisten sind wohl weiter
unten, noch eine Stufe darunter die Linguisten. Die Übersetzer sind gar nicht
eingeladen. Sie sitzen nicht im Elfenbeinturm, sie bauen ihn. Sie machen sich
so nicht-schöngeistig die Hände an Fachtexten schmutzig, die ja auch irgendwie
geschrieben und irgendwie untersucht werden müssen. Wenn jemand mit einem Text
ein Werk der schönen Kunst erschafft, dann muss dieser Text in einem anderen
Text analysiert werden. Der Mensch, der die Sekundärliteratur schreibt, muss
dazu gewiss eine Computersoftware verwenden, die zunächst lokalisiert werden
will, was letztendlich die Aufgabe des Übersetzers ist. So nah bin ich an einem
geisteswissenschaftlichen Studium dran. So nah, wie das Aussehen eines Oompa
Loompa an dem Aussehen einer Fee aus der Mottenkiste.
In einem meiner Module über technische Zeichnungen hat der Prof. (den ich
eigentlich sonst nicht mag und nicht zitieren würde) gesagt: "Gute
Übersetzer sind wie gute Dichtungen. Wenn sie funktionieren, merkt man nicht,
dass sie da sind". Das ist für das eigene Ego keine sehr erbauliche Perspektive,
oder? Ich frage mich, ob eigentlich nur heimliche Masochisten und Leute mit
Minderwertigkeitskomplexen dieses Studium wählen, Leute, die nicht an die
eigene Kreativität glauben, Leute, die zu bescheiden und pragmatisch sind, um
sich Schöngeistigkeit zu gönnen (die eine schillernde Karriere bringen kann,
aber so oft doch nur der eigenen Selbstverbesserung dient, welche wiederum, wie
wir dank Tyler Durden wissen, Masturbation ist). Leute, die sich lieber
absichern und aus ihrer Liebe zu Sprachen eher ein Handwerk machen, als eine...
eventuell brotlose Liebe zu Sprachen. Oder bin das eigentlich nur ich?
Aber ich muss mich wahrscheinlich für die massiven Verallgemeinerungen
entschuldigen. Doch so funktioniert eine Alltagstheorie, und ich drücke hier ja
nur meine Zuneigung zu Geisteswissenschaftlern aus
Da ich jetzt beschlossen habe, optimistischer zu denken, am Ende noch ein
Lichtblick: Manchmal kommt doch mal ein Text, den zu übersetzen es angenehm
sein kann (vor allem wenn es um Schuhe, Katzen oder Kunst geht). Und andererseits
kann ein akademischer Abschluss ja zum Glück immer noch so etwas wie ein
Türöffner sein... vielleicht dahin, wo die Leute aus dem Elfenbeinturm auch hingehen.
Witzigerweise denken wir Germanisten teils genauso: wir sind nicht kreativ, wir schreiben nichts Eigenes, wir stürzen uns nur auf die kreativen Produkte anderer, meist toter weißer Männer und wühlen darin herum. Zwar schreiben wir dann darüber einen Text - dessen Originalität besteht aber meist maximal im allgemeinen Scharfsinn und darin, ob man gut und vielleicht auch amüsant schreiben kann. Idealerweise zumindest.
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