- Jede
Mensa hat ein vegetarisches Angebot, es ist sehr wichtig, aber nicht sehr
umfangreich. Manche Mensen meinen, alle paar Monate mal einen ausschließlich
vegetarischen Tag einlegen zu müssen.
- Das
ist wichtig für das Klima, aber auch für das Ego der Organisatoren.
- Manche
Fachschaftsräte meinen daraufhin auf dem Campushof einen Grill aufstellen und
Protest-Bratwürste grillen zu müssen. Das ist wichtig für alle Männer, die
keinen Tag ohne Tier auf Toast auskommen können.
Ich beurteile hier nichts moralisch. Ich weiß ja auch gar nicht, ob ich
diesen Veggie-Tag für eine gute oder schlechte Idee halte. Stattdessen freu ich
mich nur über ein breiteres fleischloses Angebot.
- Es ist
doch aber so, dass Menschen von Natur aus Allesfresser sind. Deswegen haben wir
sowohl Eckzähne, die evolutionsgeschichtlich zum Reißen der lebendigen Beute
vorgesehen waren sowie Vormahl- und Mahlzähne zum Zermalmen harter
(zellulosehaltiger) Nahrung.
- Gehen
wir von dem Natur-Argument aus, so sind Menschen wahrscheinlich auch nicht für
monogame Beziehungen vorgesehen. Unsere nächsten Verwandten, die
Zwergschimpansen und Schimpansen leben in fröhlichen, Harem-artigen Zuständen
und auch wir wechseln im Leben mehrmals den Partner. Es ist für Menschen
ebenfalls nicht natürlich zu fliegen und sich Organe herausnehmen zu lassen.
Dennoch stecken wir uns Ringe an die Finger, fliegen in den Urlaub und lassen
nahezu problemlos Blinddarmoperationen durchführen. "Natürlich"
bedeutet weder "moralisch richtig" noch "moralisch falsch"
und es bedeutet ebenso wenig "vorbestimmt". Wir sind doch sonst so
stolz über den Sieg der Wissenschaft über die Natur, der uns ermöglicht ein
komfortables und schmerzfreies Leben zu leben und 90 Jahre alt zu werden.
Solange es um unseren Komfort geht, stört es uns nicht, wenn etwas unnatürlich
ist. Überhaupt stört es uns nur dann, wenn es darum geht, unseren Komfort vielleicht
einschränken zu müssen.
- Man
braucht Proteine und Eisen zum Überleben. Fleisch enthält die nötigen Stoffe in
den nötigen Mengen, die der menschliche Organismus evolutionsbedingt zum
Überleben braucht.
- Es ist
einfacher, sich die nötigen Proteine und das Eisen aus dem Fleisch zu holen,
doch es ist nicht unmöglich, sie zum Beispiel ebenso aus Milchprodukten, Eiern,
Nüssen und roten Früchten und Beeren zu beziehen. Wenn man Lust hat und sich
Mühe gibt, kann man sich leicht im Internet über die entsprechenden
Lebensmittel informieren. In einer hochentwickelten Zivilisation gibt es immer
Alternativen und niemand muss dann an Mangelerscheinungen leiden. Sonst würde
ja jeden Tag irgendwo ein Vegetarier vom Bürostuhl fallen.
- Tiere
essen sich auch gegenseitig. Wenn man alle lebendigen Organismen auf der Welt
bedenkt – also auch Plankton zum Beispiel – so ist es doch das
Schicksal der meisten Kreaturen, gefressen zu werden. Und wenn ein Tiger zum
Beispiel die Gelegenheit hat, einen Menschen zu fressen, wird er es tun. Die
Natur hat es eben so eingerichtet, dass das Überleben eines Organismus vom Tod
der anderen Organismen abhängt. Auf die Spitze getrieben könnte man sagen, ohne
diese Wechselwirkung gäbe es nicht das Prinzip der natürlichen Auslese und
keine Evolution.
- Tiere
jagen und fressen sich gegenseitig in ihrer natürlichen Umgebung, das ist
richtig. Und niemand will hier der Natur in ihre Wirkungsmechanismen reinreden.
Aber, um das Problem mit diesem Argument näher beschreiben zu können, müsste
man ein bisschen weiter ausholen.
Und zwar: Es gibt in der Industriewelt einfach zu viele Menschen. Ja,
zugegeben, in Regionen wie Südostasien gibt es viel zu viele Menschen,
aber die haben einen quantitativ anderen Fleischkonsum als der Westen (und es
wäre auch monströs, wenn ihr Fleischkonsum genau so hoch wie der des Westens
wäre). Nein, aber es sind wir, die den Luxus, den wir einmal mit Hilfe der
Industrialisierung und der Massenfertigung erlangt haben, nicht mehr missen
wollen. Wir brauchen unsere Grillwochenenden und unsere McDonalds Burger nach
einer Party nachts um halb vier. Aber die Tiere, aus denen das Ganze gemacht
wird, werden nicht von uns in natürlicher Umgebung gejagt, sondern extra dafür
erschaffen, um gegessen zu werden. Und zwar in automatisierten Verfahren, die
eine Massenverarbeitung des von ihnen stammenden Fleisches ermöglichen. Ist es
möglich, ein Tier noch mehr von seiner natürlichen Umgebung zu entfernen? Das
Problem mit diesem Argument ist also nicht, dass sich Lebewesen gegenseitig
töten – weil es ja natürlich ist – sondern, dass man dieses gegenseitige Töten
nicht mit der Massentierhaltung und unserer Art, Tiere zu töten, vergleichen
kann.
- Tiere
haben keine Selbstwahrnehmung, also macht es nichts, wenn wir sie nur als
Fleischproduzenten halten, sie nehmen es nicht wahr und sie leiden ja
möglicherweise gar nicht, sie kämpfen nicht um das Überleben, leiden keinen
Hunger oder Kälte und kennen auch kein anderes Leben.
- Über
die Selbstwahrnehmung und die Empfindungen der Tiere weiß man noch nicht alles
und es wird noch geforscht. Tatsache ist aber, dass sie Schmerzen, Freude,
Trauer und Empathie auf einem grundlegenden Level empfinden können. Manche
Hunde und Katzen (vor allem solche, die nicht gegen ihr Spiegelbild kämpfen)
vermitteln den Eindruck, dass sie sich selbst sehr wohl wahrnehmen können.
Wir haben zwar schon gesagt, dass wir unser Leben nicht unbedingt wie von
der Natur vorgesehen leben müssen. Wir tun das vor allem um unser Leben zu
verbessern, aber bei der Massentierhaltung ist das ja wohl sicher nicht der
Fall. Das ist zwar nur Spekulation, aber ich vermute, dass Tiere die ihr ganzes
Leben in der Massentierhaltung verbringen sehr wohl Leid empfinden und zwar aus
dem Grund, dass ihre Lebensbedingungen bedeutend schlechter sind als in der
freien Natur. Denn obwohl sie nicht verhungern oder frieren, so fehlen doch den
Kühen zum Beispiel Wiesen und frische Luft oder frisches Gras oder den
Schweinen die Möglichkeit im Dreck zu wühlen oder sich generell zu beschäftigen
(und ihre Instinkte sagen ihnen ja vielleicht, dass sie das gern tun würden).
Wer weiß, wie die Menschheit in ein paar Jahrhunderten über
Massentierhaltung denken wird. Tendenziell – und das ist doch sehr gut – neigen
wir dazu, immer humaner mit den Schwachen umzugehen. Zunächst hören wir auf,
unsere Sklaven zu Tode zu prügeln – oder überhaupt zu versklaven, dann stellen
wir fest, dass wir unsere Kinder besser behandeln müssten, dann beschließen
wir, dass Frauen, Farbige und Homosexuelle ebenbürtige Menschen sind (manche
Gesellschaften sehen das nach wie vor anders, aber dazu ein anderes Mal mehr).
Wer weiß, wie sich die Tierethik in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird.
Ich werde das gespannt beobachten.
- Aber
du trägst doch selbst eine Lederjacke.
- Ja,
das ist wahr (obwohl die schon alt ist). Ich habe mich ja kein einziges Mal als
Vegetarierin bezeichnet. Ich habe auch nicht behauptet, dass ich außerhalb des
westlichen Konsumverhaltens stehe, dazu bin ich zu sehr von viel zu vielen
gesellschaftlich determinierten Faktoren beeinflusst. Was ich aber hoffe ist,
dass ich nicht aufhören werde, zumindest darüber nachzudenken und dass noch
mehr Menschen in Zukunft darüber nachdenken...und dass das Lederimitat in
Zukunft ein bisschen hochwertiger aussieht.