Verwirrender Titel.
Aber ich bin ja auch verwirrt. So geht es einem Menschen, der fast einen
ersten akademischen Abschluss hat und feststellt, dass das was er tut, nicht
das ist, was er tun sollte. Ich studiere Übersetzen, ein uneheliches Kind von
Geistes- und Kommunikationswissenschaft. Das klingt jetzt negativer als es ist.
Es macht natürlich nur Spaß in der praktischen Anwendung, die Theorie ist schon
langweiliger, und das wissenschaftliche Arbeiten ist gar lästig. Vielleicht bin
ich nicht zur Akademikerin berufen, aber der Norm- und Ordnungszwang der Bibliographie-Richtlinien
allein muss wohl dem Vogonen-Planeten entsprungen sein. Von persönlichen
Antipathien gegenüber einigen Dozenten mal abgesehen... egal, ich schweife ab:
Ich wollte, seit ich einigermaßen bewusst und windelfrei lebe, immer nur
zwei Dinge tun: Geschichten schreiben und Bilder malen. Oft habe ich diese
beiden Passionen verdrängt, doch sie kamen immer wieder hoch, wie ein Ball, den
man im Schwimmbad unter Wasser drückt. Dann habe ich beschlossen, etwas zu
studieren, was mir zwar gut gefällt, was aber nicht meine Passion ist. Und zwar
bewusst beschlossen. Und jetzt – Überraschung! – stelle ich fest, dass ich
lieber etwas anderes tun will, lieber etwas anderes sein will. Natürlich will
ich ein Künstler sein, aber was ich nicht will, ist Künstler werden.
Wo ist der Unterschied? Nun, ich glaube, manche Künstler verbringen ihr
Leben auf Sparflamme, wartend, gehemmt durch die eigenen Erwartungen an sich
selbst. Manche warten auf den Moment der Größe und wollen gleich der nächste
Dalí (für Literaten wahlweise – Goethe) sein. Sie wollen, dass ihre Kunst sie
überlebt und vielleicht noch zu Lebzeiten berühmt macht. Und damit – glaube ich
– wollen sie die Kunst instrumentalisieren. Der Zweck der Kunst ist dann nicht
sie selbst, sondern der Künstler.
Manche Künstler dagegen widmen sich ganz ihrer Passion, werden
Illustratoren oder Berufsschreiberlinge und fragen sich dann, warum das, was
sie tun, plötzlich ein Handwerk ist, und keine Leidenschaft mehr und warum sie
sich manchmal zum Arbeiten zwingen müssen, wo es doch früher solchen Spaß
gemacht hat.
Aber am besten haben es eigentlich diejenigen verstanden, die als Kellner
und Kassierer arbeiten und abends in ihrem Kämmerlein malen bzw. wild auf dem
Laptop rumtippen. Ich vertrete ja die durchaus radikale Ansicht, dass Kunst
frei bleiben muss, niemals fremdbestimmt, nicht gebunden an Aufträge – denn dann
wird sie zur Interpretation, oder vor allem Geld – denn dann wird sie zum
Handwerk. Ein Paradebeispiel dafür ist die russische Literatur des Goldenen
Zeitalters (frühes 19 Jahrhundert). Wahre Klassik, geschrieben ausschließlich
vom Adel, der frei war von existenziellen Sorgen, pragmatischen Problemchen und
sonstigen Zahnschmerzen und somit in seinen Entfaltungsmöglichkeiten auch
völlig uneingeschränkt.
Das ist der Grund, warum ich mir einen Beruf ausgesucht habe, der nicht
meine Passion ist. Wenn es schon Geld oder Liebe sein soll, dann doch bitte
nicht gleich die große Liebe. Schade ist nur, dass ich das zum Zeichnen
gehörende Handwerk nicht systematisch sondern stückchenweise und aus verschiedensten
Quellen lerne.
Ich will jetzt übrigens nicht sagen, dass jeder, der aus seiner Liebe
seinen Beruf macht, falsch liegt. Nein, ich finde diesen Mut sogar sehr
bewundernswert. Aber die höchste und lobenswerteste Motivation, kreativ zu
werden, ist meiner Meinung nach, nicht potentieller Ruhm oder Geld, sondern
immer die Idee und die Erschaffung selbst. Und während dieses
Schaffensprozesses ist man ein Künstler, und wenn man kurz vom Schreibtisch
aufsteht, um eine rauchen zu gehen, ist man es nicht. Deswegen behaupte ich:
Man kann nicht Künstler werden, man kann auch nicht Künstler werden wollen,
sondern nur Künstler sein. Und man ist es dann auch sein ganzes Leben lang,
aber mit Pausen, und zwar wenn man gerade kellnern bzw. übersetzen muss.