Samstag, 15. Oktober 2011

Weide - eine schon etwas ältere Poesie-Miniatur

Er schlief und schlief unter der Weide und erwachte erst am Abend. Dann erwachte auch die Weide, und die Sonne starb einen kleinen karminroten Tot am Horizont.

- Weide - sagte er - Wir waren zusammen. Einst war da: Wir gehen schlafen... Wir gehen tanzen... Wir machen ein Kind... Wir essen unser Brot und trinken unseren Wein... Es war unser Gefühl, es war unsere Musik, unser Bett unsere Nächte und unser Leben.
- Wo ist sie jetzt? - fragte die Weide
- Sie ist verschwunden. Zuerst aber vergaß sie das Wort "unser" und alles ist "meins" geworden. Es wurde: "mein Haus", "mein Geld", "mein Leben" und "mein Gefühl", "meine Erinnerung...". Es wurde alles nur noch ihres, nicht mehr unsers, und sie ist verschwunden.
- Dann bist du verschwunden - sagte die Weide
- Ich? Verschwunden?
- Ja, so wie es aussieht. - sagte die Weide

Er seufzte nur leicht und bemerkte wieder wie das Gewicht der feuchten Erde auf seine Brust drückte.

"Es wird wieder Nacht", dachte er "wie schade."

(c) Cosmic Dust
Anmerkung: Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod

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