Samstag, 9. Juni 2012

Schmeiß die Zyniker aus dem Fenster

Ich lebe in einer Stadt, die sich selbst auf eine fast so ätzende Weise für hip hält wie Berlin. Im Grunde ist Leipzig quasi Berlin in klein - mit all seinen Hundehaufen, Graffiti und DDR-Gebäuden und voll von Leuten mit - sagen wir mal überdurchschnittlicher Intelligenz - die sich für hippe Zyniker halten.

Und an alle solchen Individuen, die übrigens wieder im weltweiten Vergleich eine wirklich sehr priviligierte Position einnehmen (ihr wisst schon: weiß, meistens männlich, Bürger eines wirtschaftlich vergleichsweise starken europäischen Landes, Mitglieder der "bildungsnahen Schichten", deren beide Eltern noch friedlich in einer grünen Kleinstadt leben und ihnen bei Gelegenheit Hackbraten servieren) soll sich mein Text richten.

Zunächst ein Paar Worte zum Zynismus selbst. Zynismus ist eine Lebenshaltung, die aus der  antiken griechischen philosophischen Schule des Kynismus entstanden ist. Die Philosophie der Kyniker strebte danach, den Menschen von materiellen Bedürfnissen zu befreien und sein Leben möglichst in einem Naturzustand ohne Ansprüche zu leben, sehr ähnlich der Philosophie der Stoá also. Der prominenteste Vertreter der Kyniker ist Diogenes von Sinope, der Philosoph aus der Tonne. Er hat den Kynismus begründet, da er durch seine Lebensweise als Bettler oft als Hund (Kyon) bezeichnet wurde. Vereinfach gesagt kritisierte Diogenes die Vorherrschaft der Kultur über die Natur. Und erklärte die natürlichen Triebe des Menschen als priviligiert gegenüber den Errungenschaften der Kultur (die im europäischen Raum traditionell einen höheren Stellenwert hat als Natur). Ausgehend aus diesen Prämissen, ist es verständlich, wie der heutige Begriff Zynismus sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Aus der Negation der Kultur (die ja der einzige Träger von moralischen Lehren und Werten sein kann) wird eine Negation von moralischen und kulturellen Werten selbt. Wie der Zyniker der Kultur ihren Wert aberkennt, so betrachtet er auch die moralischen Werte dieser Kultur als nichtig.

So, und wenn man etwas als nichtig erachtet, ist die beste und effektivste Art das zu zeigen, es zu verspotten. An dieser Stelle vermischt sich dann der Zynismus mit dem Sarkasmus und kommt in eine Grauzone, in der es schwer wird, diese Konzepte zu unterscheiden. Und an dieser Stelle wird es auch für den Laien schwer, den echten Zyniker von einem gewöhnlichen, spottenden Arschloch zu unterscheiden. Besonders dann, wenn das Arschloch sich auch noch selbst als Zyniker bezeichnet.

Es ist fast wie mit dem Wort Theorie. Im wissenschaftlichen Diskurs ist es ein völlig anderer Begriff als aus dem Mund der Laien. Während "Theorie" in den Naturwissenschaften ein Realitätsmodell ist, das auf objektiv bewiesenen Tatsachen aufbaut und die derzeit beste Erklärung eines Naturphänomens liefert, ist sie in der Alltagssprache mit "Hypothese" gleichzusetzen. (Was einige Evolutionstheorie-verneinende Idioten dazu bringt, zu argumentieren, dass die Evolution ja auch nur eine Theorie im Sinne von Hypothese sei, aber das ist ein anderes Thema...).

Der selbsternannte hippe Zyniker schmückt sich in den allermeisten Fällen mit zu großen Worten und ist auch nichts weiter als ein miesepetriger kleiner Pessimist. Er spottet am liebsten über etwas, woran andere glauben und worin sie einen Wert sehen, je nach dem was gerade im Trend ist (Musikrichtungen, Kunst, Literatur, Filme, Umweltschutzverhandlungen, Studentenproteste, Proteste gegen Atomkraft  oder Internetzensur...) hält sich womöglich sogar für intellektuell, weil er keinen Fernseher hat und auf jeden Fall - ja auf jeden Fall - macht er es sich lieber in seinem Flohmarkt-Sessel in seiner Leipziger Altbauwohnung bequem, als an irgendeiner Art von Aktionismus teilzunehmen. Der selbsternannte Zyniker glaubt an nichts. Und er glaub auch nicht, dass irgendetwas das Nichts ändern kann. Selbst Marxisten sind da etwas optimistischer - sie mögen auch nicht an irgendwelchen Aktionismus glauben, solange ein kapitalistisches System besteht - aber sie liefern mit dem Sozialismus wenigstens einen Alternativvorschlag, während der selbsternannte Zyniker weiter in seinem Sessel sitzt und Club Mate trinkt.

Der selbsternannte Zyniker ist stolz auf seinen Zynismus und sucht immer wieder Wege, sich selbst in all seiner Herrlichkeit darzustellen, wie ein Pfau - ein rabenschwarzer Pfau. Was der selbsternannte Zyniker allerdings nicht merkt, ist dass er nur ein gewöhnlicher gerupfter und getretener Pfau ist - ein enttäuschter Idealist, ein erschöpfter Poet, ein genervter Künstler, und dass diejenigen, gegen die er spottet - die wahren Zyniker sind.

Echter Zynismus würde auch den selbsternannten Zyniker zum Weinen bringen. Denn während dieser gerade deshalb spottet, weil er noch genug Moralempfinden besitzt, um etwas als richtig oder falsch zu bewerten (und das Falsche zu verspotten), stehen echte Zyniker ganz und gar jenseits von Moral. Echte Zyniker sind Amoralisten, die längst nicht mehr ein Leben im Naturzustand anstreben, sondern nach dem größtmöglichen Vorteil für sich selbst. In Form von Macht, Geld oder Prominenz.

Beispiele gefällig? 

RTL zum Beispiel ist eine Ansammlung von widerlichen Amoralisten, die Menschen von unterdurchschnittlicher Intelligenz oder solche, die am Rande zur geistigen Behinderung stehen, mit Knebelverträgen dazu zwingt, sich vor der Kamera in diversen Dokusoaps und Talkshows zu erniedrigen. Grundgesetz Artikel 1, Abastz 1? Ach nöööö...

Der Präsident meines Heimatlandes ist ein zynischer Hund, dem nichts - nicht einmal die russische Verfassung - heilig ist, der Journalisten umbringen lässt, die Verfassung ändern lässt um an der Macht zu bleiben, und die Menschen in Russland und im Westen schamlos belügt. Und wo wir schon dabei sind, dann vergessen wir auch Mahmud Ahmadinedschad und Kim Jong-un nicht.

Und natürlich dürfen hier die römisch-katholische und die russich-orthodoxe Kirche nicht fehlen (ich hab hier mal die zwei schlimmsten herausgegriffen). Die römisch-katholische, die - so reich wie sie ist - anscheinend arme Menschen - besonders die in Afrika - hasst und am besten durch AIDS ausradiert sehen möchte (oder warum wettert der Papst so gegen Kondome?). Und die russsich-orthodoxe Kirche, die - nicht weniger wohlhabend, da komplett von der russischen Regierung aufgekauft - sich am besten ein Portrait von Wladimir Putin statt eines Kreuzes um den Hals hängen sollte und es währenddessen trotzdem weiterhin wagt, als moralische Instanz aufzutreten.

Und wer möchte, noch ein fiktives Beispiel: Der Comedian aus dem Watchmen-Comic bzw. -Film ist das perfekte Beispiel eines echten amoralischen Zynikers. Ja, selbsternannte Zyniker, ich möchte mal sehen, wie ihr eine schwangere Frau erschießt und einen Vietnamesen lebendig anzündet, bevor ihr das Z-Wort auch nur in den Mund nehmt, um euch selbst damit zu "schmücken".

Ich hoffe, es ist jetzt etwas klarer, woher meine Abneigung gegenüber selbsternannten Zynikern kommt. Ich weiß, dass wir alle, wir, die Kreativen und die Denkenden alle leichter zu verletzen sind, dass wir alle spotten müssen, um uns selbst zu schützen (ich spotte auch, wie man weiß, und ich habe nie etwas anderes behauptet). Doch an dem Punkt, wenn diese Rolle plötzlich zu unserer Persönlichkeit wird, haben wir den Sinn unseres Denkens, unseres Moralempfindens irgendwie verfehlt. Verbitterung ist nicht cool. Und die verbittert-Masche ist für halbwegs intelligente Menschen leicht zu durchschauen. Und ich persönlich kann diese Rolle überhaupt nicht verstehen. Mir fällt es schwer, mich von Frustration und Verbitterung loszulösen und nicht vorzeitig zu einer selbsternannt zynischen, alten Frau zu werden. Wie kann es dann sein, dass jemand diese Rolle freiwillig annimmt?

Daher möchte ich sagen: Der hippe selbsternannte Zyniker kann so viel aus seinem Flohmarkt-Sessel über die Welt schimpfen, wie er will, er wird mir seine persönliche Schwäche, aus der heraus er seine Frustration nicht überwinden kann, niemals als cool verkaufen können. Nein, er wird in mir viel eher immer das Bedürfnis wecken, ihn mitsamt seinem Sessel aus dem Fenster zu schmeißen, am besten geradewegs in eine vorbeiziehende Studentendemo.

Freitag, 8. Juni 2012

Neues - Fidelity

Die Nacktheit in meinen Werken nimmt irgendwie zu...

Naja, auch egal. Als ob das noch jemanden schocken würde... (was es keinesfalls soll).
Fidelity
 Ich mag Kunst. Man kann so vieles damit erzählen, ohne irgendwas zu erzählen.