Mittwoch, 25. April 2012

Frigide Akademikerinnen, so ironisch, ich kotze ab.

So, jetzt aber mal ein anderes Thema. (Ich vermeide es normalerweise in dem Blog hier, über Politik zu reden, aber das ist ja ein genderrelavantes Thema, zu dem ich wiederum gern mal ein bisschen meinen Meerrettich dazu gebe).

Die Bundeskanzlerin hat also heute ein Machtwort gesprochen und uns bis Sommer 2013 eine Herdprämie versprochen.

Dabei heißt es, dass die Frauen ja nicht drauf verzichten müssen, ihre kleinen Kinder früh in die Kinderkrippen zu geben, aber dafür entlohnt werden sollen, wenn sie freiwillig darauf verzichten. Ist das nicht eine hinterlistige Strategie? Es erinnert mich ein wenig an die gesetzliche Lage zum Schwangerschaftsabbruch: Der ist in Deutschland theoretisch auch mit Freiheitsstrafe bedroht aber praktisch straffrei. Es droht in den allermeisten Fällen keine gesetzliche Strafe, wenn eine Frau eine Abtreibung vornehmen lässt, aber sie ist im bürgerlichen Strafgesetzbuch (§218ff.) sehr wohl eine Straftat. Ein Verbrechen. Und für Verbrechen soll man sich schämen...

Egal, zurück zur Herdprämie: Ich finde, hier wird ein ähnlicher moralischer Druck auf Frauen geschaffen wie bei der Abtreibung. Bei der Abtreibung wird etwas, was "falsch" ist, nicht bestraft, bei der Herdprämie wird etwas, was nicht richtig ist, "belohnt". Wenn man schon rechtlich nicht durchgreifen kann, und alle dazu zwingen kann, gefälligt zu gebären und die Kindchen dann auch noch drei Jahre lang zuhause zu erziehen, kann man sagen: "Aber, wenn du die Schwangerschaft nicht abbrichst, dann begehst du keine Straftat"; "Und wenn du es dem Staat und den Unternehmen in Fragen der Kinderbetreuung einfach machst, für die Kindererziehung auch noch einfach mal drei Jahre vom Arbeitsmarkt wegbleibst, dich in der Zeit für ihn unbrauchbar machst, damit eventuelle Karriereträume killst, weil du unbedingt Kinder haben wolltest, dann geben wir dir 150 € pro Monat!"

Mensch, jetzt hab ich mich aber für einen Moment vergessen. Aber mal ehrlich, die Herdprämie wird zurecht als rückständig kritisiert, es werden hier nämlich staatliche Gelder in ein Modell aus der Vergangenheit investiert anstatt für Frauen Möglichkeiten zu schaffen, Karriere und Familiengründungspläne besser zu vereinbaren. Manche Jobs erfordern keine großen Fachkenntnisse und können nach ein Paar Jahren Kinderbetreuung sicher wieder aufgenommen werden, aber eine gut ausgebildete Fachkraft könnte es sich nicht leisten, sich zu lange nur mit Babybrei aufzuhalten und zu viele Seminare und Softwareneuerungen und Konferenzen und Produktschulungen (und Rechtschreibreformen) zu verpassen. Jaja... die frigiden Akademikerinnen in Deutschland kriegen sowieso alle zu wenig Kinder und dann will man sie auch noch auf eine so kontraproduktive Weise mit der Herdprämie beleidigen. Ich kotze ab. Vor ironischem Lachen.

Es ist doch so: Glückliche Eltern sind bessere Eltern als unglückliche. Und ich denke, dass viele Frauen glücklich sind, wenn sie eine gute Ausbildung genießen können und einem Beruf nachgehen können, der ihre Talente fördert. Aber viele Frauen haben Angst davor, dass ihnen diese Möglichkeit genommen wird, wenn sie es wagen sollten, ein Kind zu kriegen. Dass sie in ihrem Berufsleben dann nie richtige Ziele erreichen, weil sie für ihr Baby vielleicht keine Betreuung finden und zuerst in der Herdprämienhölle dahindümpeln und dann aufgrund verpasster Zusatzqualifikationen nur noch einen - sorry für den Ausdruck - Scheißjob haben. Um ihnen diese Angst zu nehmen (und mehr von ihnen dazu zu bewegen, sich nun der - komischerweise vom Staat so begehrten -  Nachwuchsproduktion zu widmen), ist es doch gerade förderlich, ihnen aufzuzeigen, dass man sich familienpolitisch in eine Richtung bewegt, die ihnen im Falle einer Geburt den Karrieretod erspart. Ja, damit meine ich zum Beispiel die begrüßenswerte Forderung der Grünen und der Linken, mehr Kinderkrippenplätze zu schaffen. mehr Möglichkeiten, Karriere und Familienplanung zu verbinden, mehr Möglichkeiten, Eltern glücklicher zu machen. Da ist es doch geradezu absurd, sich mit dem Konzept der Herdprämie in die Gegenrichtung zu bewegen. Kurz gesagt: Wenn die frigiden Akademikerinnen jetzt noch weniger Lust auf gebären haben, ist die Angela aber selber schuld.

Und von der ganzen Biedermeier-Nostalgie der konservativen Parteien mal abgesehen: Was ist denn mit frühkindlicher Sozialisation? Ok, es gibt sicher sicher auch andere Mütter auf dem Spielplatz und deren Kinder sind dann die Sandkastenbuddys, aber was ist eigentlich mit faulen Müttern, die ein bisschen Extrageld abgreifen wollen und ihre Kinder vor dem Fernseher parken? (Jetzt ist nicht die Zeit für political correctnes, wir wissen alle, dass es solche gibt). Und was ist mit Müttern, die nicht sehr gut Deutsch sprechen? (Zugegeben, den Deutschunterricht, den kann auch der Fernseher übernehmen.), Aber trotzdem: Wäre eine frühkindliche Sozialisation in einem anderen Umfeld als dem Häuslichen in beiden Fällen nicht sogar ganz gut?  Und außerdem: Warum immer gleich den kommunistischen, religiös-traditionell-geprägte-Familienmodelle-zerstörenden Dämon in einer Kinderkrippe sehen? Warum nicht die Möglichkeit der Sozialisation darin sehen? Oder kriegen die Mütter ihre Babys wirklich soooo selten zu sehen?

Egal, wie auch immer, ich kann diese Fragen nicht beantworten. Ich wollte vielmehr gegen ein rückständiges Konzept lamentieren. Heute mal ohne aufwendige Metaphernkonzepte oder viele Sprachbilder oder sonstige Schnörkel. Ich muss sagen, ich fühle ich mich von der Herdprämie doch persönlich beleidigt, auch wenn sie mich wahrscheinlich nicht betreffen wird. Und ironischerweise sind genau solche Konzepte, wie die Herdprämie (die ja das Kinderkriegen attraktiver machen sollte) ein weiterer Grund dafür, dass sie mich wahrscheinlich nicht betreffen wird.

Und ironischerweise wird dieses Konzept auch noch von einer frigiden*, kinderlosen Akademikerin abgesegnet. Man, die Welt ist heute glatt so ironisch, ich kotze ab.




*ich weiß natürlich nichts über die Libido der Bundeskanzlerin (und will auch nichts darüber wissen), es hat hier nur ganz gut in das sprachliche Bild gepasst und ich hab den Ausdruck aus stillistischen Gründen verwendet.