Dienstag, 14. Juni 2011

Oompa Loompas

Na, wie lange hat es gedauert, bis ich mein Vorhaben gebrochen habe, mich hier nur in sublimierter Form mit eigener Kunst (Kunst?) als Mensch darzustellen? Es waren nicht einmal zwei Monate.
Aber da wir nun einmal in einem Zeitalter leben, wo virtuelle Ehrlichkeit viel ehrlicher ist, als die unter Zeitdruck auf Partys entstandene und mit Füll-Lauten durchsetzte reale Kommunikation, soll es eben so sein. Ich sublimiere jetzt sogar die eigenen Gedanken und Empfindungen. Und stelle sie hier strukturierter und kunstvoller als in der Realität dar. Für etwas noch ausgefeilteres – wie eine Kurzgeschichte – fehlt mir gerade die Kreativität. Sie wird ironischerweise von einem eigentlich geisteswissenschaftlichen Studium aufgefressen.

Das Studium an sich ist aber eigentlich nicht geisteswissenschaftlich. Oder etwa doch? Ich bin äußerlich jedenfalls kein typischer Geisteswissenschaftler. Ich bin nicht eine von diesen wunderbaren Gestalten, die Dreadlocks haben, antike Diamant-Räder fahren und Second-Hand Klamotten tragen, mit denen die Frauen aussehen wie Feen aus der Mottenkiste und die Männer, wie eine Renaissance der 68-er Bewegung. Ich wäre es aber gern. Ich würde auch gern 14 Semester lang studieren und intellektuell von Kultur und Kabarett und Kafka daherschwafeln. Ich hätte gern ein Wohlfühlstudium im Elfenbeinturm, zusammen mit Schiller und Goethe und Shakespeare. Noch lieber natürlich, mit meinen Landsleuten Puschkin, Tolstoi und Dostojewski.

Stattdessen verbringe ich meine Zeit mit unglamourösen Texten über Analgin, Diodenprüfer, Quantencomputer, Mähdrescher und Umweltzonen. Geschrieben von Oompa Loompas, übersetzt von Oompa Loompas. Wie mir.

Wer sitzt eigentlich am höchsten im Elfenbeinturm? Die Slawisten? Die Philosophen? Oder Kulturwissenschaftler? Die Germanisten sind wohl weiter unten, noch eine Stufe darunter die Linguisten. Die Übersetzer sind gar nicht eingeladen. Sie sitzen nicht im Elfenbeinturm, sie bauen ihn. Sie machen sich so nicht-schöngeistig die Hände an Fachtexten schmutzig, die ja auch irgendwie geschrieben und irgendwie untersucht werden müssen. Wenn jemand mit einem Text ein Werk der schönen Kunst erschafft, dann muss dieser Text in einem anderen Text analysiert werden. Der Mensch, der die Sekundärliteratur schreibt, muss dazu gewiss eine Computersoftware verwenden, die zunächst lokalisiert werden will, was letztendlich die Aufgabe des Übersetzers ist. So nah bin ich an einem geisteswissenschaftlichen Studium dran. So nah, wie das Aussehen eines Oompa Loompa an dem Aussehen einer Fee aus der Mottenkiste.

In einem meiner Module über technische Zeichnungen hat der Prof. (den ich eigentlich sonst nicht mag und nicht zitieren würde) gesagt: "Gute Übersetzer sind wie gute Dichtungen. Wenn sie funktionieren, merkt man nicht, dass sie da sind". Das ist für das eigene Ego keine sehr erbauliche Perspektive, oder? Ich frage mich, ob eigentlich nur heimliche Masochisten und Leute mit Minderwertigkeitskomplexen dieses Studium wählen, Leute, die nicht an die eigene Kreativität glauben, Leute, die zu bescheiden und pragmatisch sind, um sich Schöngeistigkeit zu gönnen (die eine schillernde Karriere bringen kann, aber so oft doch nur der eigenen Selbstverbesserung dient, welche wiederum, wie wir dank Tyler Durden wissen, Masturbation ist). Leute, die sich lieber absichern und aus ihrer Liebe zu Sprachen eher ein Handwerk machen, als eine... eventuell brotlose Liebe zu Sprachen. Oder bin das eigentlich nur ich?

Aber ich muss mich wahrscheinlich für die massiven Verallgemeinerungen entschuldigen. Doch so funktioniert eine Alltagstheorie, und ich drücke hier ja nur meine Zuneigung zu Geisteswissenschaftlern aus


Da ich jetzt beschlossen habe, optimistischer zu denken, am Ende noch ein Lichtblick: Manchmal kommt doch mal ein Text, den zu übersetzen es angenehm sein kann (vor allem wenn es um Schuhe, Katzen oder Kunst geht). Und andererseits kann ein akademischer Abschluss ja zum Glück immer noch so etwas wie ein Türöffner sein... vielleicht dahin, wo die Leute aus dem Elfenbeinturm auch hingehen.

1 Kommentar:

  1. Witzigerweise denken wir Germanisten teils genauso: wir sind nicht kreativ, wir schreiben nichts Eigenes, wir stürzen uns nur auf die kreativen Produkte anderer, meist toter weißer Männer und wühlen darin herum. Zwar schreiben wir dann darüber einen Text - dessen Originalität besteht aber meist maximal im allgemeinen Scharfsinn und darin, ob man gut und vielleicht auch amüsant schreiben kann. Idealerweise zumindest.

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