Dienstag, 30. August 2011

Neues - Hare

Ich habe in letzter Zeit eine Vorliebe für die Darstellung des Hasen in der Kunst
Hare
Das Bild ist gestern entstanden. Warum male ich immer etwas, das so aussieht wie das hier?

Montag, 29. August 2011

Hasen und Hamster

Eines Tages schmeißt du den Job hin. Und zwar praktisch. Theoretisch hast du ihn ja schon vor Monaten hingeschmissen, und zwar an dem Punkt, wo du nicht nur keine Arbeitsmoral übrig hattest, sondern, wo es dir dann auch egal war, dass deine Vorgesetzten es gemerkt haben.

Hättest du nur wahrgenommen, was du dir selbst die ganze Zeit zu sagen versucht hast: Das Phantomklingeln nachts, dass dir bei Radiosendungen die Telefonstimmen der Anrufer plötzlich unangenehm waren, wie deine Stimme immer monotoner wurde und dein Gesicht an deiner Arbeitsnische immer länger, und – das Schlimmste von allem – wie du gedacht hast, dass alle Menschen in Deutschland so wären, wie die, mit denen du telefonierst. Hättest du das wahrgenommen, dann hättest du dich und deine sich nicht regenerierenden Nervenzellen schnell aus dem Callcenter befördert. Du hättest die Tatsachen um dich herum beobachten sollen. Deine Kollegen waren keine schlechten Menschen, aber noch bevor du auch so geworden bist wie sie, hättest du merken müssen, dass sie wie Roboter reden, wenn sie telefonieren. Wenn der Fernseher während der Arbeit lief, hättest du gesehen, dass sie sich über betrogene Frauentausch- und Mitten-im-Leben-Gestalten dort lediglich lustig machen und nicht mal ein Tröpfchen Empathie empfinden; dieses fehlende Tröpfchen hätte dich skeptisch machen müssen. Und als du gesehen hattest, wie ernst sie ihre Aufgabe – das telefonische Verkaufen von Produkten aus Dauerwerbesendungen, zu überteuerten Preisen und Portokosten – nehmen, hättest du nicht nur die Alarmglocken, du hättest Hurricane-Warnsirenen hören müssen. Und spätestens als die sensible Theaterwissenschaft-Studentin und die alternative Poetry-Slam-liebende Veganerin den Laden nach kürzester Zeit verließen, spätestens dann hättest du auf deine Intuition hören müssen, die dir sagte, dass du etwas moralisch fragwürdiges machst.

Aber du hast gekämpft. Gegen Windmühlen. Die Kunden haben nicht plötzlich die Tugend der Höflichkeit erlernt, die Produkte wurden nicht besser oder zumindest ihr Preis angemessener, die Werbung nicht weniger penetrant und die Kollegen haben auch nicht damit begonnen, ihr Handeln zu reflektieren. Nur du hast dich ein Jahr lang beleidigen und unterbrechen lassen, warst der Sündenbock der Kunden und der Vorgesetzten, musstest den berechtigten sowie den belanglosen Unmut beider Parteien ausbügeln, hast deine eigene Verzweiflung ignoriert. Du hast Vorurteile gegenüber Menschen mit Dialekten entwickelt, dann Vorurteile gegenüber Menschen bestimmten Alters, bestimmter Herkunft, bestimmter Region und dann gegenüber allen anderen Menschen. Und du hast dich nicht getraut zu glauben, dass du – ja auch du - dir zu schade für einen Job sein kannst, wie die angehende Theaterwisenschaftlerin und die Veganerin. Bist du nun arrogant, weil du dich für besser als deine ehemaligen Kollegen hältst? Und bist du nicht eigentlich irgendwo verachtenswert, weil du das inkonsequenterweise erst nach einem Jahr eingesehen hast?

Du hast versucht tapfer zu sein, aber du bist es nicht, du bist ein Angsthase. Du hattest Angst vor einer leeren Geldbörse und auch vor pöbelnden Kunden. Doch am meisten Angst – und das spricht eigentlich für dich – hattest du vor dem, was dieser Job aus dir machen wollte: einen verbitterten Misanthropen. Du bist sensibel. Du hasst es, dich ungerecht behandelt zu fühlen. Du hasst es, ein Fußabtreter zu sein. Du hasst es, den Menschen auf ihre Rüpelhaftigkeit nicht mit Süffisanz begegnen zu können. Damit bist du ganz und gar ungeeignet für ein Callcenter. Und Schande über dich, dass du es erst jetzt merkst.

Ein bisschen neidisch bist du schon auf die anderen, die dort weiterhin ihr Geld verdienen können. Vielleicht brauchen sie es nur dringender als du. Du wünschst dir auch, du könntest, wie ein Hamster im Laufrad, weiterhin in diesem Job bleiben, aber du bist nicht tapfer genug, um neben ihnen um die Wette auf der Stelle zu treten, und zu sehen, wie die Wand daneben sich niemals ändert und wie die selbe Speiche mit dem roten Fleck immer wieder an dir vorbeikreist. Vielleicht haben sie dich zum Schluss auch dafür verachtet, dass deine Stimme deine Stimmung verraten hat und deine Stimmung einfach niedergeschlagen war. Aber dir ist das egal, du willst nicht einmal sauer auf sie sein. Du lehnst dich zurück und wartest auf den Augenblick, wenn du sie verachtest, weil ihnen ihr Job anscheinend ernsthaft gefällt und auf den Augenblick, wenn du sie bemitleidest, weil sie anscheinend vergessen haben, dass es Jobs außerhalb des Callcenters gibt, Jobs, die keine Laufräder sind.

Eines Tages schmeißt du den Job hin; und dann wirst du, als der sensible Mensch der du bist, Existenzängste haben, du wirst dich wieder auf die Suche machen, du wirst dich wieder irgendwo als nervöser Neuling einarbeiten müssen, du wirst unsicher sein und nicht tapfer genug, da zu bleiben wo du warst wo du hinter dem Gedanken stehen musst, Menschen abzuzocken. Du wirst dich trauen, ein Angsthase zu sein.

Mittwoch, 24. August 2011

Altes - Heart Disposal

Heart Disposal
Ich hatte mal 600 Herzen, aber das ist lange her, mindestens 600 Jahre.

Dienstag, 23. August 2011

Verachtenswert, oder etwa nicht?

Verachtenswert, oder etwa nicht? Eigentlich mag sie niemand. Niemand mag schwache Menschen. Schwache Menschen sind so arm dran, dass wir nicht eimal eine ordentliche Portion leidenschaftsbeladenen Hass und nur ganz selten ein bisschen Wut abbekommen, sondern höchstes die schlimmste Form von Verachtung - wir sind von ihnen gelangweilt.

Wir sind gelangweilt von ihrer ewigen emotionalen Instabilität, davon, dass sie ihr Liebesleben nie in den Griff kriegen und zum dritten Mal mit dem Kumpel rumknutschen, der heimlich in sie verliebt ist, und uns dann zum fünften Mal bei einem Glas Rooibostee davon erzählen.

Wir sind gelangweilt davon, dass sie alles tun, um den Frieden zu wahren, auch wenn es bedeutet, sich von einem Ed Hardy-Träger bei irgendeiner beschissenen Hausparty öffentlich beleidigen zu lassen und seinen ohnehin schon amöbenartig-weichen Standpunkt fallen zu lassen, nur weil der Klügere ja nachgibt.

Wir sind gelangweilt von ihren traurigen Smileys und "ich bin so krank"- Meldungen in unserem Facebook-Feed.

Wir sind gelangweilt, weil sie sich selbst so wichtig nehmen, dass sie uns ein halbes Jahr lang immer noch nach dem dritten Glas Whiskey was wegen ihrer acht Monate zurückliegenden Trennung vorheulen.

Wir sind gelangweilt von ihren hoffnungslosen Seufzern, wenn sie uns von ihren verhassten Jobs erzählen.

Wir sind gelangweilt von ihrem Selbsthass, ihren Selbstzweifeln, ihren Selbstverletzungen und überhaupt von ihnen selbst selbst selbst.

Wir möchten sie bei den weichlichen, blassen Schultern packen und sie schütteln, bis ihnen alle Tränen aus den Äuglein ausgetropft sind. Wir möchten sagen: "Hör auf zu jammern, wenn du ein Problem mit deinem Leben hast, dann denk darüber nach, wie du es lösen willst. Lern neue Männer kennen; steh zu dir selbst; nimm ne Aspirin und geh ins Bett; sprich mit dem Chef und wenn die quälenden Selbstzweifel kommen, dann gib deinem Kopf mal Futter, denn meistens kommen solche Gedanken, wenn man sonst nichts zu denken hat.
Das alles möchten wir sagen. Aber eigentlich können wir es auch lassen. Wir ändern sowieso nichts an den anderen Menschen. Das wissen wir, aber wir sagen es ihnen trotzdem. Denn der einzige Moment, in dem sie uns nicht langweilen, ist der Moment in dem sie uns das Gefühl unserer eigenen Wichtigkeit bestätigen, darin dass unser Rat irgendwo gebraucht wird.

So sind wir: Immer auf der Suche nach einer Möglichkeit, uns selbst zu bauchpinseln und unseren Egoismus zu befriedigen. Das ist ganz schön vorhersehbar, und darin auch wieder langweilig, und das wissen wir. Und vielleicht ist das auch der Grund, warum wir mit ihnen befreundet bleiben, mit ihnen Rooibostee und Whiskey trinken, ihre Facebook-Beiträge kommentieren und mit ihnen zusammen böse aus der Ecke den Ed Hardy-Typen angucken. Am Ende sind wir damit zufrieden, dass wir von ihnen gelangweilt sein können.

P.S. Ich bin kein Misanthrop, nur nicht so blendend gelaunt, heute.